DSM-5 Kriterien
Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-5), stellt folgende Kriterien auf, um problematische Geldspielnutzung zu diagnostizieren:
- Notwendigkeit des Geldspielens mit immer höheren Einsätzen, um eine gewünschte Erregung zu erreichen.
- Unruhe und Reizbarkeit bei dem Versuch, das Geldspielen einzuschränken oder aufzugeben.
- Wiederholte, erfolglose Versuche, das Geldspielen zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben.
- Starke gedankliche Eingenommenheit durch Geldspielen (z.B. starke Beschäftigung mit gedanklichem Nacherleben vergangener Spielerfahrungen, mit Verhindern oder Planen der nächsten Spielunternehmung, Nachdenken über Wege, Geld zum Geldspielen zu beschaffen).
- Häufiges Geldspielen in belastenden Gefühlszuständen (z.B. bei Hilflosigkeit, Schuldgefühlen, Angst, depressiver Stimmung).
- Rückkehr zum Geldspielen am nächsten Tag, um Verluste auszugleichen (dem Verlust "hinterherjagen" ("Chasing")).
- Belügen anderer, um das Ausmass der Verstrickung in das Geldspielen zu vertuschen.
- Gefährdung oder Verlust einer wichtigen Beziehung, eines Arbeitsplatzes, von Ausbildungs- oder Aufstiegschancen aufgrund des Geldspielens.
- Verlassen auf finanzielle Unterstützung durch andere, um die durch das Geldspielen verursachte finanzielle Notlage zu überwinden.
Wenn mindestens vier der oben aufgeführten Kriterien innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten vorliegen und das Glücksspielen nicht besser durch eine manische Episode erklärt werden kann, kann eine Störung durch Glücksspielen diagnostiziert werden.
Zu unterscheiden sind drei verschiedene Schweregrade:
- Leicht: vier bis fünf Symptomkriterien sind erfüllt
- Mittel: sechs bis sieben Symptomkriterien sind erfüllt
- Schwer: acht bis neun Symptomkriterien sind erfüllt
Quellen
American Psychiatric Association, ed. (2022). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, Text Revision (DSM-5-TR). Washington, DC, USA: American Psychiatric Publishing.
Weinstock, J., & Rash, C. J. (2014). Clinical and research implications of gambling disorder in DSM-5. Current addiction reports, 1, 159-165.
Checkliste für Ärzte
Liste
Die Frage nach dem Alkohol- und Tabakkonsum wird fast routinemässig bei einer Konsultation an den Patienten/die Patientin gerichtet. Vielleicht würde sich auch die Frage nach Glücksspielgebrauch als sinnvoll erweisen?
Aktuellen Schätzungen zufolge leiten etwa 296'900 Personen in der Schweiz unter einer Geldspielproblematik.
Glücksspielsucht kann auch physische Symptome zeigen:
- Schlafstörungen
- Magen-/Darmbeschwerden
- Stress
Zudem können sekundäre psychische Beschwerden/Störungen auftreten:
- Gedankenkreisen, nicht abschalten können, Grübelzwang
- Depressive Verstimmungen
- Gereiztheit
- Sozialer Rückzug
Übermässiger Tabletten- oder Alkoholkonsum kann als sekundärer Suchtmittelmissbrauch sichtbar werden.
Auch Zahlungsschwierigkeiten können ein Hinweis auf eine Glücksspielproblematik sein.
Die Frage: „Wie sieht es mit dem Glücksspiel bei Ihnen aus?“ oder „Betreibt Ihr Mann/Ihre Frau übermässiges Glücksspiel?“ kann das Tabu brechen und den Anfang eines Klärungsprozesses darstellen.
Quellen
Fong, T. W. (2005). The biopsychosocial consequences of pathological gambling. Psychiatry (edgmont), 2(3), 22.
Grönroos, T., Kontto, J., Kouvonen, A., Latvala, T. A., Partonen, T., & Salonen, A. H. (2024). Somatic and psychiatric comorbidity in people with diagnosed gambling disorder: A Finnish nation‐wide register study. Addiction, 119(11), 2015-2022.
Parhami, I., Siani, A., Rosenthal, R. J., Lin, S., Collard, M., & Fong, T. W. (2012). Sleep and gambling severity in a community sample of gamblers. Journal of addictive diseases, 31(1), 67-79.
Potenza, M. N., Balodis, I. M., Derevensky, J., Grant, J. E., Petry, N. M., Verdejo-Garcia, A., & Yip, S. W. (2019). Gambling disorder. Nature reviews Disease primers, 5(1), 51.
Wenger, A., & Haug, S. (2024). Geldspiel: Verhalten und Problematik in der Schweiz im Jahr 2022. Zürich: ISGF.
Checkliste für Schuldenberatungsstellen
Liste
Spielsüchtige sind eine mit Hilfsangeboten schwer erreichbare Zielgruppe. Die Sensibilisierung in der Gesellschaft findet erst statt. Oft sehen Personen mit einer Geldsspielproblematik ihr Problem nicht im (Spiel-)Verhalten, sondern bei den (mangelnden) Finanzen. Durch die finanziellen Probleme entsteht ein Leidensdruck, aus dem die Motivation wächst, sich fachliche Hilfe zu suchen. Durch ein eng vernetztes Angebot von Sucht- und Budget-/Schuldenberatung kann die Erreichbarkeit erhöht werden. Sei es über die Direktbetroffenen oder über Angehörige.
Sie können mithelfen, problematisches Spielverhalten früh zu erkennen.
Durch die Wahrnehmung von Hinweisen:
- Die Verschuldung ist innerhalb kurzer Zeit sehr stark angestiegen. Es gibt keine plausible Erklärung dafür.
- Hoher Geldverbrauch ohne erkennbare Verwendung.
- Es bestehen hohe Schulden bei Angehörigen und Freunden.
- Bankkredite sind in Abständen von wenigen Monaten immer wieder um ein paar tausend Franken aufgestockt worden.
- Das gesamte Einkommen kann innerhalb weniger Stunden oder Tage vollständig verspielt werden, dass heisst es werden Bargeldbezüge innerhalb weniger Stunden oder Tage getätigt, was auf dem Kontoauszug sichtbar ist.
Miet- und Krankenkassenschulden sowie Mittellosigkeit kommen auch in anderen Zusammenhängen vor, können jedoch eine Folge von Geldsspielsucht sein.
Aufdecken durch ein offenes Gespräch
- Aus Sicht der Schuldenberatungsstelle: Die Frage „Spielen Sie?“ oder „Spielt Ihr Mann/Ihre Frau vielleicht?“ kann das Tabu brechen und den Anfang eines Klärungsprozesses sein. Eine effektive Hilfe ist nur möglich, wenn die Ursache der finanziellen Notlage thematisiert wird. Es ist besser, offen darüber zu reden, als einen Verdacht im Raum stehen zu lassen. Die meisten Betroffenen reagieren mit Erleichterung, wenn sie Verständnis für ihre Situation spüren. Hochrechnungen zufolge leiden etwa 296'900 Menschen in der Schweiz unter einer Geldspielproblematik. Unter den Folgen der Sucht leidet die ganze Familie. Hohe Schulden von mehreren 10.000 oder sogar 100.000 Franken können die Folge davon sein. Die durchschnittliche Schuldenhöhe von Haushalten, die von Geldspiel betroffen sind und eine Schuldenberatung im Jahr 2022 aufsuchten, beläufen sich auf 88'455 Franken
- Aus Sicht der Suchtfachberatungsstelle: Ein erfolgreicher therapeutischer Prozess geht damit einher akute finanzielle Belastungen strukturiert zu bewältigen und die monetäre Situation der Betroffenen zu stabilisieren.
Quellen
Frommert, P. (2007). Die Zusammenarbeit von Suchtberatung und Schuldenberatung bei der Beratung Glücksspielsüchtiger und ihrer Angehörigen. Das Konzept des Projekts «Glücksspiel und Schulden». Abhängigkeiten, 36-60.
Muggleton, N., Parpart, P., Newall, P., Leake, D., Gathergood, J., & Stewart, N. (2021). The association between gambling and financial, social and health outcomes in big financial data. Nature Human Behaviour, 5(3), 319-326.
Schuldenberatung Schweiz. (2023). Ohne Perspektive lebenslänglich verschuldet? Statistik der Mitgliederorganisationen 2022. Basel: Schuldenberatung Schweiz.
United Nations Office on Drugs and Crime. (2024). Casinos, money laundering, underground banking, and transnational organized crime in East and Southeast Asia: a hidden and accelerating threat.
Checkliste für Migrationsfachstellen
Liste
Sucht wird bei Migrantinnen und Migranten in der Regel mit stoffgebundenen Substanzen in Zusammenhang gebracht. Vielen ist nicht bekannt, dass Verhaltensweisen, wie beispielsweise das Glücksspiel, süchtig machen können. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass es Personengruppen mit bestimmter nationaler Herkunft gibt, die häufiger von glücksspielsuchtbezogenen Problemen betroffen sind. Wiederum sind Spielsucht-Hilfsangebote bei Personen mit Migrationshintergrund wenig bekannt. Der Früherkennung und der Vernetzung verschiedener Institutionen (Schuldenberatung, Hausärzte, soziale Dienste etc.) kommen daher eine umso wichtigere Bedeutung zu.
Früherkennung: Wie erkenne ich eine glücksspielsüchtige Person?
Spielsüchtigen Personen sieht man ihre Sucht nicht an. Das macht es schwierig für das Umfeld, eine Glücksspielsucht zu erkennen. Trotzdem gibt es Merkmale, die auf ein problematisches Glücksspielverhalten hindeuten können:
- Es fehlt ohne ersichtlichen Grund Geld. Unbezahlte Rechnungen, häufiges Geldabheben, Geld leihen bei Bekannten und unschlüssigen Erklärungen für fehlendes Geld können Erkennungsmerkmale einer Glücksspielsucht sein.
- Unruhe, Gereiztheit oder Niedergeschlagenheit können Hinweise auf eine Glücksspielsucht sein.
- Die Person ist häufig geistig abwesend. Glückspielsüchtige sind in Gedanken immer beim Glücksspiel oder überlegen sich, wie sie zu Geld kommen, um zu spielen.
- Fehlende Zeit: Die Person investiert zunehmend mehr Zeit für Glücksspiele und vernachlässigt Hobbys, familiäre Verpflichtungen oder weitere Interessen.
Wenn mehrere dieser Merkmale zutreffen, dann sprechen Sie die Person an: "Spielen Sie?" oder "Spielt Ihr Mann/Ihre Frau?". Betroffene sind oft erleichtert, wenn sie über ihre Situation sprechen können.
Hilfsangebote: Wie kann ich einer glücksspielsüchtigen Person weiterhelfen?
Auf SoS-Spielsucht.ch finden Sie umfassende Informationen zum Thema Glücksspielsucht für Betroffene, Angehörige und weitere Interessierte. Die Webseite ist in acht Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Kroatisch, Portugiesisch, Rumantsch, Thailändisch und Türkisch) aufrufbar.
Verteilen Sie gerne unsere Flyer, die in sieben Sprachen verfügbar sind.
Es stehen Ihnen folgende Angebote zur Verfügung:
- Anonyme telefonische Beratung unter 0800 040 080
- Anonyme online Beratung
- Regionale Beratungsstellen
- Mit Interpret finden Sie regionale Stellen, die Ihnen interkulturell Dolmetschende vermitteln. Die Finanzierung ist regional unterschiedlich und muss im Vorfeld geklärt werden.
Flyer und Informationsmaterial
Unsere Flyer sind in sechs Fremdsprachen (Englisch, Italienisch, Kroatisch, Portugiesisch, Thailändisch und Türkisch) erhältlich. Bestellen Sie die Flyer kostenlos oder laden Sie sie herunter.
SoS-Spielsucht entwickelte in Zusammenarbeit mit "Femmes Tische" Moderationsunterlagen in 11 Sprachen für den Einsatz im Migrationsbereich. Unterlagen herunterladen.
Weiterführende Literatur
Das "SuchtMagazin" berichtete 2017 über das Thema Migration und Glücksspiel. Der Bericht enthält spannende Forschungsdaten sowie wichtige Hinweise für die Praxis. Hier geht’s zum Bericht.
Die Hochschule für soziale Arbeit in Luzern verfasste im 2012 im Auftrag von SoS-Spielsucht einen Bericht über die "Früherkennung von vulnerablen Personengruppen im Glücksspielbereich". Die Analyse zeigt die Brisanz im Migrationsbereich und ist nach wie vor relevant. Hier geht’s zum Bericht.
Quellen
Fong, T. W. (2005). The biopsychosocial consequences of pathological gambling. Psychiatry, 2(3), 22.
Gainsbury, S., Hing, N., & Suhonen, N. (2014). Professional help-seeking for gambling problems: Awareness, barriers and motivators for treatment. Journal of Gambling Studies, 30, 503-519.
Latvala, T., Lintonen, T., & Konu, A. (2019). Public health effects of gambling–debate on a conceptual model. BMC public health, 19, 1-16.
Martins, S. S., Storr, C. L., Lee, G. P., & Ialongo, N. S. (2013). Environmental influences associated with gambling in young adulthood. Journal of Urban Health, 90, 130-140.
Raylu, N., & Oei, T. P. (2004). Role of culture in gambling and problem gambling. Clinical psychology review, 23(8), 1087-1114.